Stroh- und Schilfdachdeckung

Hintergrund und Bedeutung der Ausbildung

Schilf und Stroh zählen, seit der Zeit als die Menschen sesshaft geworden sind, zu den ersten Bedachungsmaterialien. Die ersten nachgewiesenen Schilfdächer gab es bereits um 4.000 v. Chr. am Bodensee. Diese Materialien wurden dabei im Laufe der Geschichte vorrangig von der ärmeren Bevölkerungsschicht verwendet, da die Rohstoffe in der Natur frei verfügbar waren. Im Mittelalter wurden aufgrund der Brandgefahr viele Schilf- und Strohdächer in Städten durch Hartdächer ersetzt. In den ländlichen Gebieten wurde jedoch weiterhin auf die vielen positiven Eigenschaften des Schilf- oder Strohdaches vertraut. In vielen Gebieten Europas sind Stroh- und Schilfdächer bekannt und werden zum Teil auch heute noch gebaut und gepflegt (vgl. Müller, 2017). Die Erhaltung bestehender Stroh- und Schilfdächer gestaltet sich jedoch sehr schwierig, da nur mehr sehr wenige Personen über das Wissen dieser Art der Dachdeckung verfügen. Vor allem von den raumklimatischen Vorteilen, die mit einem Stroh- oder Schilfdach entstehen, kann der heutige und zukünftige Hausbau profitieren. Um die Erhaltung bestehender Stroh- und Schilfdächer zu sichern und zukünftig vermehrt neue Häuser mit diesen umweltfreundlichen Materialien zu decken, bedarf es einen Zuwachs an Fachkräften, die dieses Wissen weiterführen und verbreiten. Diesem Fachkräftemangel soll mit der Ausbildung entgegengesteuert werden.

Ökonomie

Stroh- und Schilfdachdeckung ist in Österreich in der Liste der offenen Gewerbe enthalten. Im Jahr 2019 waren in Österreich 8 gewerbliche Schilfdecker als Mitglieder bei der österreichischen Wirtschaftskammer gelistet. Davon sind 4 im Burgenland tätig, einer jeweils in Oberösterreich und der Steiermark und 2 weitere in Wien. In den restlichen Bundesländern gibt es keine gelisteten gewerblichen Schilfdecker. In Ungarn gibt es die Ausbildung zum Dachdecker, welche jedoch nicht die Nutzung der traditionellen Naturrohstoffe Stroh und Schilf beinhalten. Diese Techniken werden auch in Ungarn nicht in der formellen Ausbildung gelehrt. Ausbildungen in der Technik des Dachdeckens mit Stroh und Schilf haben daher auch aus der ökonomischen Betrachtungsweise in Österreich und in Ungarn ein großes Potenzial.

Gesellschaft und Kultur

Die Art des vorherrschenden Klimas hat einen großen Einfluss auf die Wahl von Stroh oder Schilf für die Dachbedeckung. Ungarn und Teile Burgenlands sind vom Pannonischen Klima geprägt, welches geringere Jahresniederschlagsmengen aufweist, als die feucht-warmgemäßigte Klimazone des restlichen Österreichs. Schilf ist witterungsbeständiger als Stroh und garantiert damit auch in niederschlagsreicheren Regionen eine längere Lebensdauer, als dies mit Stroh möglich wäre. Dadurch sind in Österreich die Dächer vorrangig mit Schilf und in Ungarn vorrangig mit Stroh gedeckt worden. Zusätzlich zu dem klimatischen Einfluss war die Wahl bezüglich Schilf- oder Strohdach, in früheren Zeiten auch oft abhängig von der regionalen Verfügbarkeit des jeweiligen Rohstoffes. Eine heute wieder mehr geschätzte Eigenschaft von Stroh und Schilf ist ihre schalldämmende Wirkung, womit sie auch als Schallschutz dienen. Dächer aus Schilf werden in vielen Regionen, besonders in Deutschland, als Reetdächer bezeichnet. Dort wurde das Handwerk der Reetdachdeckerei 2014 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO hinzugefügt.

Ökologie und Umwelt

Schilf und Stroh sind schnell nachwachsende Rohstoffe und sind daher eine nachhaltige Alternative zu den konventionellen Materialien der Dachdeckung. Sie sind widerstandsfähig gegenüber Hitze, Kälte und Regen, wobei Stroh mehr für Gebiete mit trockenem, gemäßigtem Klima geeignet ist und Schilf auch in feucht-warmgemäßigten Gebieten eingesetzt werden kann. Stroh und Schilf emittieren bei der Verwendung keine schädlichen oder giftigen Stoffe. Auch der Einsatz von giftigen Chemikalien ist bei diesen natürlichen Materialien nicht notwendig. Nach dem Ende der Lebensdauer des Dachmaterials sind das Stroh und das Schilf jeweils leicht zu entsorgen und verursachen keinen Sondermüll oder sonstige Schäden an der Umwelt. Zusätzlich weisen Schilf- und Strohdächer eine sehr gute Isolationswirkung auf, wodurch im Sommer das Haus kühl bleibt und im Winter warm gehalten wird (vgl. Pussehl, 2015).

Ausbildungsinhalte

Die Ausbildung der Stroh- und Schilfdachdeckung umfasst sowohl die theoretischen Grundlagen und die notwendige Die Ausbildung der Stroh- und Schilfdachdeckung umfasst sowohl die theoretischen Grundlagen und die notwendige Materialkunde, als auch das praktische Wissen in der Deckung von Dächern mit Stroh oder Schilf. Dachdeckung mit Stroh oder Schilf ist besonders umweltfreundlich und sorgt mit seiner guten Isolationswirkung für eine angenehme Raumtemperatur. Im Zuge der Ausbildung werden die unterschiedlichen Arten der Schilf- und Strohdachdeckung gelehrt und praktisch angewendet.

Ausbildungstitel:Stroh- und Schilfdachdeckung
Dauer und Zeitraum:max. 96 Einheiten (á 50 Minuten), Beginn voraussichtlich Sommer 2021
Ort:Freilichtmuseum Mönchhof, Burgenland (Änderungen vorbehalten unter Absprache mit den Teilnehmern)
Empfohlene Vorkenntnisse:Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, Interessenten mit Vorkenntnissen werden jedoch bevorzugt
Anmeldung für Kurse in Österreich:eurevita-pannonia@bfi-burgenland.at
Weiterführende Informationen:www.eurevita.eu
www.interreg-athu.eu
Abschluss:Ausbildungsbestätigung des Berufsförderungsinstituts
Burgenland

Folgende Inhalte werden behandelt:

  • Vorteile und Verwendung von Stroh und Schilf für die Dachdeckung
  • Rohstoffkunde
  • Umgang mit Arbeitsmitteln und Werkzeugen
  • Techniken zur Erstellung von Schilfdächern
  • Reinigung, Pflege und Wartung der Stroh- und Schilfdächer

Quellen:

Müller, M. (2017): Historie und Verbote. Online verfügbar unter https://sellmol.de/strohdach-historie-heute/, aufgerufen am 25.02.2021.

Pussehl, S. (2015): Reetdach: Vor- und Nachteile. Online verfügbar unter https://www.homify.de/ideenbuecher/95871/reetdach-vor-und-nachteiled Nachteile | homify, aufgerufen am 25.02.2021.

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